Wahrscheinlich befindet sich kaum eine Branche derzeit so im Umbruch wie der Handel — Die Mentalität der Kunden verändert sich, völlig neue Retailkonzepte werden erprobt — Wie der Handel diese Herausforderungen erfolgreich meistern kann
Prototyping Experiences
Wahrscheinlich befindet sich keine andere Branche derzeit in solch einer tiefgreifenden Phase des Umbruchs wie der Handel.
Es gab noch nie eine Zeit, in der Retail spannender war als heute. Das Forbes Magazine titelte 2018 „The Most Innovative Retail Concepts Ever Are Being Tested Now.” In den kommenden Jahren werden völlig neuartige Retail-Konzepte auf den Markt gebracht. Für den Handel ist dies eine enorme Herausforderung. Für die Kunden jedoch wird es faszinierend sein. Und ja, durch die Automatisierung werden bestimmte Tätigkeiten wegfallen, vor allem im monotonen Arbeiten im transaktionalen Bereich, wie dem Kassieren. Dafür werden Tätigkeiten, die Menschlichkeit, Empathie und Kreativität fordern, zunehmend gefragt sein.
Der österreichische Ökonom Josef Schumpeter beschrieb bereits im Jahr 1906 den fortwährenden Zyklus der „kreativen Zerstörung“. Der Begriff der „Disruption“ gehört heute zum Standardrepertoire der Unternehmensführung im Handel.
Seit Schumpeters Zeiten hat sich Geschwindigkeit, in der sich die Zyklen der kreativen Zerstörung drehen, deutlich beschleunigt. Gab es früher nach jedem Umbruch eine längere Phase der Stabilisierung, kommen wir zunehmend in einen Zustand der „Permanent Beta“. Ein Status, in dem der Wandel die Norm ist und nicht die Ausnahme. Retail-Konzepte werden in Zukunft als rohe, unfertige und einfach zu verändernde Erlebnis-Prototypen betrachtet werden. Dieses Prototypisieren ist verbunden mit der Anwendung wissenschaftlicher Prinzipien auf die Überprüfung von Geschäftsideen. Ideen werden als Hypothesen betrachtet, die in der Realität empirisch getestet werden.
Bedeutung von Erlebnissen
Der Begriff des Prototyping in Verbindung mit Retail-Erlebnissen erscheint zunächst etwas befremdlich, wird er doch vor allem mit physischen Produkten verbunden. Erlebnisse sind dagegen immateriell. Die Millennial-Generation der zwischen 1980 und 1996 Geborenen zeichnet sich durch ihre Abkehr vom Materialismus und ihrem wachsenden Verlangen nach Erlebnissen aus. Diese Generation ist so offen wie nie für Experimente.
Der physische Retail der Zukunft wird daher nicht mehr nur im Wettbewerb stehen mit anderen Retailern und E-Commerce-Plattformen. Seine Konkurrenten sind Hotels, Restaurants, Co-Working-Spaces, Festivals, Museen, Theater, Sport, et cetera. Hier muss er sich behaupten, aber hier darf er sich auch inspirieren lassen.
Experience Design
Hinzu kommt, aufgrund der immer schneller drehenden Zyklen der Innovation wird es immer schwieriger, eine Prognose über die Zukunft des Retail zu erstellen.
Um mit einem solch hohen Grad an Ungewissheit umgehen zu können, gibt es eigentlich nur eine Lösung: Unnachgiebig zu experimentieren. Tech-Firmen wie Google oder Facebook bringen neue Features auf den Markt, wenn sie noch in einem Beta-Status sind. Das User-Feedback wir dann genutzt, um das Produkt zu optimieren. Von dieser Geisteshaltung des „Test Fast, Fail Fast, Learn Fast“ kann der physische Retail lernen. Wer die Zukunft des Retail mitbestimmen möchte, muss kontinuierlich Ideen entwickeln. Diese müssen schnell und frühzeitig in der Form von groben aber ausreichend funktionierenden Prototypen in der Realität am Kunden testen.
Bei blocher partners beispielsweise denken wir in vier Gestaltungsphasen: Research, Strategie, Kreation und Realisierung.
Soziale Interaktion & Community
Empathie, Gastgebertalent, Kreativität und ein tiefgreifendes Beratungswissen, das über das Niveau von Google hinausgeht, werden im Retail von morgen zentrale Bedeutung erhalten. Das bedeutet auch: Menschen werden weiterhin in physische Läden kommen, weil sie dort Dinge erleben, die die virtuelle Realität nicht bieten kann – Gespräche, sinnlicher Erlebnisse und Einfühlungsvermögen.
Physische Retail-Marken müssen Themen definieren, die solchen Gruppen einen Anlass bieten, den Store zu ihrem Treffpunkt zu machen.
Wenn es im Retail der Zukunft nicht mehr primär um Transaktionen geht, wird die Hauptaufgabe das Angebot von Erlebnissen sein, die in digitaler Form nicht möglich sind. Es gilt eine ganze neue Dimension der Kunstfertigkeit, der Fantasie und des Storytellings zu entwickeln. Anlass für den Kunden, ein physisches Geschäft aufzusuchen, müssen außeralltägliche, experimentelle, außergewöhnliche Erfahrungen sein, die in Erinnerung bleiben.
Der Raum gewinnt immer mehr an Bedeutung
Menschen werden ein verstärktes Bedürfnis haben, Waren auszuprobieren, zu berühren, zur riechen und zu sehen. Hier können interaktive Technologien zur Konfiguration und zu Anwendungsinformationen ein Mittel der Inszenierung sein.